Tantra & Ritual

Die tantrische Tradition und das erotische Ritual

In der Blütezeit des Tantras wurden die meisten traditionellen TantrikerInnen individuell und einzeln unterwiesen. Sie lebten bei ihren MeisterInnen im Haushalt und waren Teil deren Familie. Kurssysteme, wie wir sie heute kennen, waren unbekannt. Die SchülerInnen wurden aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihres Charakters ausgewählt. Je nachdem wie ihre Voraussetzungen waren, wurde die Ausbildung ausgerollt. Selten gab es daher zwei Chelas, die das genau gleiche lernten, auch wenn sie den gleichen Guru hatten.

Diesen Aspekt der Tradition versuche ich in jedem Fall aufrecht zu erhalten. Es gibt natürlich - vor allem zu Beginn - Grundlagen, die von all meinen SchülerInnen bewältigt werden müssen … doch sogar hierbei gibt es Ausnahmen. Wer also interessiert ist, kann an einem meiner Kurse teilnehmen, in denen ich auch auf die Bedeutung der individuellen Schülerschaft eingehe. Ich persönlich glaube, dass es genau so viele tantrische Wege gibt, wie TantrikerInnen existieren. In meinem Text Der Weg der Erfüllung lege ich dar, dass das individuelle Karma des Suchenden im Tantra meist den Pfad vorgibt, wodurch zwei authentische Tantriker niemals einen identischen Weg gehen können. Dennoch gibt es bestimmte Grundthemen, die in fast allen tantrischen Schulen wieder zu finden sind: Diese sind der Umgang mit Mantra (der Vibration der Schöpfung), dem Yantra (der Form der Schöpfung) und die Nutzbarmachung der sexuellen Energie (egal ob man versucht, diese im einen Extrem durch Unterdrückung oder im anderen durch totales Ausleben zu erreichen).

Die tantrische Sexualität lässt sich ebenfalls in drei Teilbereiche der Praxis unterteilen:

  • Das Beherrschen der sexuellen Energie, um diese handhaben und lenken zu können.
  • Die erotische Meditation, die meist ritualisiert ist, jedoch nicht vollständig rituell vonstatten geht.
  • Das tantrische Ritual, in welchem TantrikerInnen die sexuelle Vereinigung nach sehr strikten Vorgaben praktizieren.

Man kann diese jedoch nur theoretisch voneinander trennen. Sie durchdringen einander und verhalten sich zueinander komplementär.

Ob die Sexualität bei der Sadhana zentral steht, entscheiden alle TantrikerInnen für sich selbst. Neben der erotischen Methoden hat der körperliche Yoga einen hohen Stellenwert, da durch ihn der Körper im Stande ist, die enormen Energien, die im Tantra generiert werden, zu bewältigen. Für mich wichtigster Punkt ist jedoch die Meditation, insbesondere der Laya Yoga. Bei den Themenbereichen Erotik und Yoga reichen unter Umständen Grundkenntnisse aus. Doch wenn jemand von mir als Lehrer betreut werden will, setze ich die tägliche Meditationspraxis voraus.