In Afrika lebte vor langer Zeit einmal ein Jäger. Dieser Jäger war der beste Jäger von ganz Afrika. Die jungen Frauen wollten ihn natürlich alle zum Mann haben, da ein guter Jäger immer dafür sorgte, dass genug Fleisch auf dem Tisch war. Doch der Jäger zögerte mit der Eheschliessung. Er dachte bei sich: „Ich bin der beste Jäger von ganz Afrika! Da kann ich nicht irgendeine Frau heiraten. Es muss eine ganz besondere Frau sein!“ Er sinnierte viel und andauernd über seine zukünftige Frau. So spazierte er eines Abends wieder einmal durch die Steppe und dachte darüber nach, wie er wohl eine geeignete Frau finden könnte. Plötzlich sah er, wie ein Stück von ihm entfernt eine Leiter vom Himmel herab gelassen wurde. An dieser Leiter stiegen zehn schöne, junge Frauen herab und schauten sich vorsichtig um. Der Jäger versteckte sich schnell hinter einem Busch. Er war ein wirklich guter Jäger und konnte sich daher hervorragend verstecken. Die jungen Frauen sahen ihn nicht. Zufrieden kehrten sie zur Leiter zurück und winkten nach oben. Daraufhin stieg eine noch schönere Frau herab. Dies war die Sternenfrau. Die jungen Frauen begannen in der Steppe zu spielen und zu lachen, sie scherzten miteinander und hatten eine gute Zeit. Nach etwa einer Stunde gingen sie wieder zur Leiter und stiegen hinauf.
Als die Frauen wieder verschwunden waren, kam der Jäger wieder zu sich. Er war wie verzaubert gewesen und hatte gebannt das Spiel der Frauen – besonders die Sternenfrau – beobachtet. Jetzt stand er auf, sah zum nächtlichen Himmel empor und sagte: „Diese Frau werde ich heiraten. Die Sternenfrau ist die richtige. Sie ist eine angemessene Ehefrau für den besten Jäger von ganz Afrika!“
Am nächsten Abend ging er wieder an die gleiche Stelle in der Steppe. Wieder stiegen die Frauen von der Himmelsleiter herab und schauten sich um. Da sie dachten, dass die Luft rein war, winkten sie die Sternenfrau herunter. Als die Sternenfrau auf dem Boden angekommen war, sprang der Jäger mit einem Satz in die Mitte der Frauen, stellte sich vor die Sternenfrau und rief: „Ich bin der beste Jäger von ganz Afrika und möchte Dich zur Frau nehmen.“ Ihre Begleiterinnen waren alle total erschrocken. Nur die Sternenfrau selbst blieb völlig ruhig. Sie schaute den Jäger von oben bis unten an, ging einmal langsam um ihn herum und betrachtete ihn von allen Seiten. Dann sagte sie zu ihm: „Hmmmm. Bester Jäger von ganz Afrika? Gut! Ich werde Deinen Antrag annehmen. Komm’ morgen um die gleiche Zeit wieder an diese Stelle, dann komme ich mit Dir in Deine Hütte.“ Kaum hatte sie dies gesagt, stieg sie wieder die Leiter empor. Die anderen jungen Frauen folgten ihr nacheinander und schauten den Jäger dabei verschämt kichernd an.
Am nächsten Tag kam der Jäger wieder zur gleichen Stelle. Pünktlich kam die Leiter wieder vom Himmel herunter und die Frauen stiegen an ihr herab. Als letzte erschien die Sternenfrau. Sie hatte einen Korb mit einem Deckel unter dem Arm. Sie stellte sich vor den Jäger und sagte zu ihm: „Gut, bester Jäger von ganz Afrika … ich komme mit dir in Deine Hütte, werde das Lager mit Dir teilen, die Felder bestellen, unsere Kinder gebären und die Ernte einbringen. Alles was eine gute Ehefrau tut, werde ich erledigen. Ich habe nur eine einzige Bedingung: Siehst Du diesen Korb hier? Diesen bringe ich mit in unsere Hütte. Doch du darfst niemals hineinsehen. Hast du das verstanden?“ Der Jäger fand, dass dies keine schwere Bedingung war und willigte ein. Die Sternenfrau folgte ihm in seine Hütte und lebte von da an mit ihm zusammen.
Eine Frau pflügt das Feld, säht, umsorgt die Pflanzen, hält das Gemüse und das Korn von Schädlingen frei, erntet, wenn alles reif ist, mahlt den Weizen zu Mehl und backt und kocht. Das ist sehr viel Arbeit. Jeden Tag. Woche für Woche. Monat für Monat.
Ein Jäger zieht immer dann, wenn es nötig ist, hinaus in die Steppe, pirscht sich an das Wild heran und wirft den Speer oder schiesst den Pfeil mit dem Bogen ab. Er nimmt die Beute aus, zerlegt das Tier, zieht das Fell ab und gerbt es. Er bringt das Fleisch nach hause und seine Frau kocht es dann.
Alles in allem hat eine Frau viel mehr Arbeit als ein Jäger. Vor allem ein guter Jäger, der grosse Tiere mit Leichtigkeit erlegt, hat zwischen seinen Jagdzügen viel Zeit, während seine Frau den ganzen Tag auf dem Feld ist und dort arbeitet.
So ging es auch dem besten Jäger von ganz Afrika.
Eines Tages sass er in seiner Hütte und rauchte Pfeife. Er langweilte sich. Fleisch war noch genug da. Er brauchte einige Zeit nicht auf die Jagd zu gehen. Seine Frau war auf dem Feld und arbeitete dort. Vor dem Abend würde sie nicht nach hause kommen. Er schaute sich in seiner Hütte um, auf der Suche nach etwas, was ihm die Zeit vertreiben könnte. Da fiel ihm der Korb seiner Frau auf, der in einer Ecke stand. Er wusste, dass er nicht hineinschauen sollte. Doch Neugier und Langeweile bemächtigten sich seiner Vernunft. Er sagte zu sich selbst: „Warum soll ich nicht in diesen alten Korb hineinschauen dürfen? Er gehört meiner Frau! Er steht in meiner Hütte. Also ist es letztendlich auch mein Korb … und ich kann hineinschauen, wann immer ich will!“ Er stand also auf, ging zu dem Korb in der Ecke, hob den Deckel ab und schaute hinein. Da begann er zu lachen und zu lachen und lachte immer weiter. Eine halbe Stunde später aber hatte er den Zwischenfall schon fast wieder vergessen.
Am Abend kam seine Frau wieder vom Feld zurück, nach hause. Sie schaute sich in der Hütte um und sagte zu ihrem Mann: „Du hast in den Korb geschaut!“ Er antwortete: „Na und! Da ist ja sowieso nichts drin!“ Da entgegnete sie: „Jetzt muss ich gehen. Aber nicht, weil du hineingeschaut hast … sondern weil du nicht sehen konntest, was drin ist.“ Und sie verliess ihn und kam nie mehr wieder.
nacherzählt von Johannes Ganesh